Gesichter des Lebens

Mit der Postkartenserie wollen wir auf die Situation der assyrischen Christinnen und Christen im Nahen Osten aufmerksam machen. Die Fotos zeigen Menschen aus der Gemeinde in Sedl Bouchrieh (Beirut/Libanon), die zur Apostolischen Kirche des Ostens gehört. Viele von ihnen sind aus ihren Heimatdörfern im Irak oder in Syrien geflohen.

Die Hoffnung auf eine Rückkehr haben die meisten Geflüchteten aufgegeben. Zu oft wurden assyrische Christinnen und Christen in den letzten hundert Jahren vertrieben. Zuletzt hat der Islamische Staat (IS) im Frühjahr 2015 die Dörfer im Khabur-Tal in Syrien überrannt, die EinwohnerInnen vertrieben oder als Geiseln genommen.Viele assyrische Christinnen und Christen haben in den letzten Jahren Schutz in Sedl Bouchrieh gefunden. Doch die allermeisten haben den Nahen Osten mittlerweile ganz verlassen oder warten noch auf ihre Ausreisepapiere in ein westliches Land.

Für die kleine Gemeinde ist die Aufnahme von Geflüchteten eine Selbstverständlichkeit. Oft genug stoßen die Gemeindeglieder dabei aber an ihre Grenzen, zumal der Libanon seit zwei Jahren in einer historischen Wirtschafts- und Finanzkrise steckt mit einer galoppierenden Inflation. Die allermeisten Menschen im Libanon wissen kaum mehr, wie sie über die Runden kommen sollen.

Wir wollen mit der Postkartenaktion die Menschen in der Gemeinde in Sedl Bouchrieh unterstützen und damit die Hoffnung nähren, dass die Christinnen und Christen in der Apostolischen Kirche des Ostens in ihrer Weise und in ihrer Sprache Glauben weiter gestalten können.

Fokus Nahost e.V. bittet um Spenden für diese Flüchtlingsarbeit. Spenden mit dem Betreff „Gesichter des Lebens“ kommen dieser Arbeit direkt zugute, sei es, dass ein Miet- oder Heizkosten-Zuschuss gegeben wird, dringend benötigte Medikamente gekauft werden, ein Arztbesuch finanziert wird oder einfach nur ein Beitrag geleistet wird, damit eine Familie ihren Alltag bestreiten kann.

Die Porträts hat der Beiruter Fotograf Wissam Andraos gemacht. Der 30-Jährige hat in Beirut und Modena (Italien) studiert und ist für seine Fotografien zu politischen und sozialen Themen bekannt. Wir geben diese Postenkartensets gerne gegen eine Spende weiter und freuen uns, wenn Sie in Ihrem Freundes- und Bekanntenkreis auf die Situation der Gemeinde in Sedl Bouchrieh aufmerksam machen. Unter vorsitz@fokusnahost.org können Sie Postkarten bestellen.  


Die Vertreibung durch den IS im Frühjahr 2015:

Gottesdienst in der St. Georgskirche in Sedl Bouchrie
Gottesdienst in der St. Georgskirche (© Katja Buck)

Im Februar 2015 überfiel der Islamische Staat (IS) 35 Dörfer im syrischen Khabur-Tal, wo mehr als 3.000 Christinnen und Christen der Apostolischen Kirche des Ostens lebten. Ihre Vorfahren hatten hundert Jahre zuvor den Genozid durch die Jungtürken überlebt und sich im Khabur-Tal angesiedelt.

Der IS stellte die Menschen in den Dörfern vor die Wahl, entweder wieder zu fliehen, oder zum Islam zu konvertieren oder zu getötet zu werden. Drei Männer wurden hingerichtet, die anderen entschieden sich zur Flucht. Doch 256 Geiseln – vor allem Frauen und Mädchen – nahm der IS mit und verkaufte sie teilweise als Sklaven an IS-Schergen. Die meisten Geiseln konnten mittlerweile wieder für hohe Lösegeldsummen freigekauft werden.  

Ein Teil der Familien aus dem Khabur-Tal suchte Zuflucht in der Gemeinde in Sedl Bouchrieh in Beirut. Die Menschen in der Gemeinde gaben ihnen Halt in den Tagen und Wochen, wo sie um ihre Liebsten in IS-Geiselhaft bangten. Sie halfen beim Ausfüllen der Anträge auf den westlichen Botschaften, begleiteten die Menschen zum Arzt oder ins Krankenhaus und halfen ihnen, wo sie nur konnten.

Mittlerweile sind die meisten Geflüchteten aus dem Khabur-Tal ins westliche Ausland ausgereist und versuchen nun dort, für sich und ihre Kinder eine Zukunft aufzubauen.

Doch noch immer kommen assyrische Christinnen und Christen aus dem Irak und Syrien nach Beirut und suchen Zuflucht in der Gemeinde von Sedl Bouchrieh, bis sie endlich Ausreisepapiere für ein westliches Land bekommen.


Die Gemeinde in Sedl Bouchrieh:

St. Georgskirche in Sedl Bouchrie
St. Georgskirche in Sedl Bouchrie (© Katja Buck)

Sedl Bouchrieh ist ein Stadtteil von Beirut mit einem großen Bevölkerungsanteil von assyrischen Christinnen und Christen. Ihre Großeltern und Urgroßeltern waren Überlebende des Genozids 1915, die im Libanon schließlich eine neue Heimat fanden. In Sedl Bouchrieh entstand nach und nach ein assyrisches Viertel mit vier Kirchen und einer Grundschule. Die zentrale Kirche ist die St.-Georgs-Kirche, neben der auch der Bischof der Apostolischen Kirche des Ostens für den Libanon lange seinen Sitz hatte.

Seit dem libanesischen Bürgerkrieg (1975 bis 1990) mit all seinen Gräueln haben viele assyrische Christinnen und Christen den Libanon verlassen und sind nach Australien, Amerika oder Kanada gegangen. Eine Kirche nach der anderen musste schließen, weil sie nicht mehr gebraucht wurde. Auch der Bischof der Apostolischen Kirche des Ostens für den Libanon hat mittlerweile seinen Sitz nach Australien verlegt, weil dort heute mehr Christinnen und Christen leben als im Libanon. Nur noch in der St.-Georgs-Kirche wird regelmäßig Gottesdienst gefeiert.

Die wenigen, noch verbliebenen Mitglieder der Gemeinde sind seit Jahren mit den Flüchtlingsströmen aus dem Irak und aus Syrien konfrontiert. Die Gemeinde ist Anlaufstelle für assyrische Christinnen und Christen aus dem Irak und aus Syrien geworden, die im Libanon auf ihre Ausreisepapiere in ein westliches Ausland warten. Oft dauert das Jahre.

Flüchtlinge dürfen im Libanon keiner regulären Arbeit nachgehen und sind auf Gelegenheitsjobs und die Unterstützung anderer angewiesen. Die Gemeinde in Sedl Bouchrieh ist mit dieser riesigen Aufgabe überfordert. Die finanziellen und personellen Ressourcen reichen längst nicht aus, um allen ein halbwegs würdiges Leben zu ermöglichen.

Fokus Nahost e.V. bittet um Spenden für diese Gemeinde. Die Gelder kommen Menschen zugute, die sich dringend benötigte Medizin nicht leisten können, die ihre Miete nicht zahlen können oder denen das Geld fehlt, um den Alltag zu bestreiten.


Die Apostolische Kirche des Ostens

In der Apostolischen Kirche des Ostens wird heute noch auf Aramäisch gesungen und Gottesdienst gefeiert. (© Katja Buck)

Die Apostolische Kirche des Ostens gehört kirchengeschichtlich zu den ältesten Kirchen. Ihre Ursprünge gehen auf die ersten Jahrhunderte des Christentums zurück, als sich auch jenseits der römischen Reichsgrenzen (also im Osten) christliches Leben etablierte.

Aufgrund ihres christologischen Bekenntnisses (von den zwei Naturen in Jesus Christus) wurden sie bereits im 5. Jahrhundert von den sogenannten Reichskirchen als Häretiker bezeichnet. Bis heute ist die Apostolische Kirche des Ostens deswegen von der ökumenischen Gemeinschaft des Mittelöstlichen Kirchenrats ausgeschlossen.

Ihre Gottesdienste feiern die Christinnen und Christen der Apostolischen Kirche des Ostens noch immer auf Ost-Syrisch, einem Dialekt des Aramäischen, also der Sprache, die Jesus gesprochen hat.  

Die Mitglieder der Apostolischen Kirche des Ostens verstehen sich als Nachfahren der alten Volksgruppe der Assyrer, die seit dem 2. Jahrtausend v. Chr. bekannt sind. Vor allem das neu-assyrische Königreich beherrschte im 8./7. Jh. v. Chr. weite Teile des Nahen Ostens mit Ninive als Hauptstadt. Auf dieses historische Erbe, dessen zahlreiche archäologischen Zeugnisse zum Weltkulturerbe gehören und vor Ort oder in den großen Museen dieser Welt bestaunt werden können, sind die assyrischen Christinnen und Christen bis heute stolz.

Wenn Sie einmal hören wollen, wie Aramäisch gesungen klingt, klicken Sie auf die folgenden Videos. Dafür müssen Sie die Cookies akzeptieren.

Das Vaterunser Aramäisch
Das Osterlied „Edyom Eda Goorele“ zu Deutsch: „Heute ist der Große Heilige Tag“

Lied für jeden Tag: „Alaha itya gniza“, zu Deutsch: „Gott ist verborgen“


Libanon

https://commons.wikimedia.org/wiki/File:BeirutRaouche.jpg

Der Libanon ist ein kleines Land am östlichen Rand des Mittelmeers mit knapp 7 Millionen Einwohnern. Das Land hat bei der Aufnahme von Flüchtlingen eine lange Tradition. 1948 und 1967 kamen mehr als eine Million palästinensische Flüchtlinge in den Libanon. Noch heute leben viele von ihnen sowie ihre Nachkommen in Lagern, die von der UN-Organisation für Palästina- Flüchtlinge im Nahen Osten (UNRWA) betreut werden.

Mit Ausbruch des Kriegs in Syrien 2011 kamen rund 1,5 Millionen Syrerinnen und Syrer in den Libanon. Lange duldete die libanesische Bevölkerung die vielen Geflüchteten. Doch seit sich die Situation im Libanon dramatisch verschlechtert hat, kommt es immer wieder vor, dass die allgemeine Frustration an den Geflüchteten festgemacht wird.

Der Libanon erlebt seit 2019 eine der schwersten Wirtschaftskrisen, die es je auf der Welt gegeben hat. Das libanesische Pfund hat innerhalb von weniger als zwei Jahren eine Abwertung von mehr als 90 Prozent erfahren. Die Preise haben sich zum Teil verzehnfacht. Treibstoff für den Transport oder für Heizung sind kaum mehr zu bekommen, weil dem Land die Devisen fehlen, um Rohöl auf dem Weltmarkt zu kaufen.

Die staatliche Stromversorgung fällt immer häufiger aus. An manchen Tagen liefern die Elektrizitätswerke in Beirut lediglich noch eine Stunde Strom. Nur die Wenigsten können es sich noch leisten, einen privaten Generator mit dem überteuerten, kaum mehr erhältlichen Treibstoff zu betreiben.

Die Gesundheitsversorgung ist zusammengebrochen. Viele Krankenhäuser können keine Operationen mehr durchführen oder Beatmungsgeräte betreiben, was jetzt die Corona-Pandemie noch zusätzlich verschärft.

Die desolate Wirtschaftssituation ist auf ein generelles Versagen der politischen Klasse zurückzuführen, die über Jahrzehnte den Libanon hat ausbluten lassen. Die meisten Libanesinnen und Libanesen haben jegliche Hoffnung verloren, dass sich in ihrem Land bald etwas zum Positiven ändern könnte. Die Katastrophe im Hafen von Beirut im August 2020, bei der aufgrund von Schlamperei und Korruption 2750 Tonnen Ammoniumnitrat explodierten, tausende Häuser zerstört wurden, mehr als 200 Menschen getötet und 6500 verletzt wurden, ist für viele zum Sinnbild für einen komplett maroden Staat geworden.